Weihnachten in Krakau

Alle stehen auf, gehen zueinander hin, lächeln sich an und sprechen ihre Weihnachtswünsche dem anderen gegenüber aus. Dabei wird eine (rechteckige) Oblate geteilt.

 

In einer Zeit der Krisen, in denen man das Gefühl hat, dass Güte und Liebe keinen Platz mehr findet, ist diese polnische Tradition ein Zeichen der Hoffnung.

Ein Zeichen der Freude.

Ein Zeichen der Weihnacht.

 

Es ist für mich dann doch ein recht seltsames Weihnachten, zum ersten Mal getrennt von der Familie, allein in der Fremde. Und doch ist es ein wunderschönes, weil ich an diesem Abend wahrlich einzigartige Erlebnisse miterleben darf. Deswegen möchte ich darüber berichten.

 

Viel Freude.

„Hotn koana einilassn, denn der Mann der woar hoit fremd, und so steht er auf der Gassen, z`Bethlehem habens ihn nit kennt. Wanns is gwißt hätten wer des is, mei war des nit gwesen a Kris, aber so an Zimmermann siahgt ma d`Heiligkeit nit an.“

 

Alles beginnt am Nachmittag um 15:00. Ca. 150 bedürftige Menschen kommen in den Turnsaal bei den Kapuzinerbrüdern, um dort ein Weihnachtsessen zu bekommen. Ich darf mithelfen und das Essen gemeinsam mit Klosterschwestern servieren. Auch hier wird, bevor alles beginnt, mit allen gemeinsam die Oblate gebrochen, auch zu mir kommen Menschen, um ein Zeichen des Teilens zu setzen.

Danach wird das Essen serviert, zuerst gibt es rote Rüben Suppen, als Hauptspeise Fisch und zum Nachttisch ein süßes Gebäck.

Viele Gesichter, die an diesem Nachmittag in unserem Turnsaal sitzen, kenne ich von der Arbeit vom Arbeiten in der Sozialküche oder auch von unserem Englisch-Unterricht.

Während gegessen wird, singen die Brüder Weihnachtslieder – die Zeit vergeht wie im Flug und dann ist die kleine Weihnachtsfeier auch schon wieder vorbei und der Turnsaal leert sich.

 

Immer wieder muss ich an diesem Tag an das österreichische Lied „Nochtn Spat“ denken, das die Weihnachtsgeschichte beschreibt – besonders dieser Vers bleibt mir dabei im Kopf:

 „Hotn koana einilassn, denn der Mann der woar hoit fremd,

und so steht er auf der Gassen, z`Bethlehem habens ihn nit kennt.

Wanns is gwißt hätten, wer des is, mei war des nit gwesen a Kris,

aber so an Zimmermann siahgt ma d`Heiligkeit nit an.“

 

Er beschreibt die Angst vor der Fremdheit und ruft für mich in Erinnerung, dass sich nicht jeder so wie ich am Heiligen Abend im Warmen an köstlichen Speisen labt. Und dass es in dieser Weihnachtsnacht viel mehr darum gehen sollte zu teilen.

Der Heilige Abend

Der richtige Heilige Abend beginnt um Viertel nach 6. – Alle Brüder (schätzungsweise ca. 50 Personen) sitzen versammelt im großen Speisesaal. Der Tisch ist schön gedeckt und man merkt, dass Weihnachten ins Kloster gezogen ist. Vor dem Festessen wird gebetet und das Weihnachtsevangelium vorgelesen.

 

Bevor das Essen startet, werden die Oblaten gemeinsam gebrochen – jeder bekommt eine. Alle Brüder gehen zueinander, geben sich die Hände und wünschen sich ihre Weihnachtswünsche.

Es ist ein einzigartiges Erlebnis, wenn 50 Menschen miteinander teilen und sich einander Freude wünschen. Auch ich gebe allen Brüdern die Hand und teile auf Polnisch, Englisch oder Deutsch meine Weihnachtswünsche mit.

 

Erfüllt von dieser „Weihnachtlichkeit“ beginnt danach das gemeinsame Speisen.  Es wird „gefastet“, das bedeutet, dass es kein Fleisch gibt.

 

Es gibt insgesamt 9 Gänge – ihr könnt sie in der Diashow oben sehen.

  • Rote Rüben Suppe mit Piroggi
  • Pilzsuppe
  • Eine panierte Palatschinke mit Pilzfüllung
  • Kraut mit weißen Bohnen
  • Piroggi gefüllt mit Kohl
  • Piroggi gefüllt mit Zwetschken und Schokolade
  • Fisch: Karpfen, Heilbutt oder Lachs
  • Kuchen

Nachdem unsere Bäuche gefüllt sind, erlischt plötzlich das Licht. Die Brüder beginnen gemeinsam zu singen und man spürt, dass der Geist der Weihnacht nun wirklich angekommen zu sein scheint. Polnische Weihnachtslieder erfüllen den Raum und auch ich darf ein deutsches Weihnachtslied mit der Gitarre vorspielen. Es herrscht eine fröhliche Stimmung, neben der Gitarre erhellen Schellen, Rasseln & eine Ziehharmonika den Raum.

Das, was mir besonders in Erinnerung bleibt, ist, dass der älteste Mönch (über 80 Jahre) noch Solo vorsingt – ein altes polnisches Lied aus den Bergen, das im Dialekt gesungen wird. Er singt die Strophe und die Brüder stimmen im Refrain mit ein. Ein magisches Erlebnis.

Doch das ist erst der Beginn der „heiligen Nacht“.

 

Die Mette

Nach den Feierlichkeiten im Speisesaal haben wir ein wenig Pause, bevor um Mitternacht die Mette in der Kirche startet. Ich nutze diese, um auch meiner Familie meine Weihnachtswünsche mitzuteilen.

Um 12:00 beginnt dann schließlich die Mette, die sehr kleine Kirche ist randvoll bis auf den letzten Platz gefüllt. 

Ähnlich wie in Österreich werden gemeinsam Weihnachtslieder gesungen und die Orgel erklingt in der Kirche. Nach einer Stunde ist der offizielle Teil der Messe vorbei und die ersten Menschen gehen. Doch die jungen Brüder (viele von ihnen studieren hier Theologie und machen das Priesterseminar im Kloster) feiern die Messe „nach“.  Mit Klavier, Gitarre und anderen Instrumenten spielen sie rhythmische und festliche Weihnachtslieder. Für mich etwas ganz Besonderes.

Bis um 2:00 dauerten diese Feierlichkeiten an.

Dieses Weihnachten war definitiv nicht wie jedes anderes und genau deswegen auch so besonders.

Mein Abenteuer in Krakau lässt sich durch dieses Fest wahrscheinlich auch ganz gut zusammenfassen. Es ist die Begegnung mit den unterschiedlichen Menschen, Traditionen und Festen, die einem mit einer unfassbaren Erfahrung bereichern.

Frohe Weihnachten!

Wesolych Swiat!

7 thoughts on “Weihnachten in Krakau”

  1. Lieber Sebastian!!
    Vielen Dank für deine Beiträge! Du schreibst so gut ,dass man mitleben kann und ein Stück Fremdheit wird vertraut!
    Freue mich schon jedes Mal auf deine Geschichten-danke nochmals und weiterhin eine schöne Zeit!

  2. Regina Mayer-Uitz

    Lieber Sebastian , ich lese deine Beiträge mit viel Freude, toll was du da machst. Ich wünsche dir weiterhin viele neue Erfahrungen, sie werden dein Leben bestimmt prägen.
    Ich bin auch erst am Heiligen Abend von unserer sechswöchigen Australien Reise zurückgekehrt. Bei meinem Sohn bemerke ich auch, wie gut es sein darf, wenn man so vielfältige Erfahrungen in anderen Ländern und Kulturen machen darf. GLG Regina Mayer-Uitz

  3. Lieber Sebastian!
    Danke für die liebe Weihnachtskarte. Auch ich wünsche Dir alles Gute für 2023!
    Deine Wertschätzung gegenüber Deiner Schule und dem Lehrpersonal an der BASOP Zwettl ist Balsam für unsere Seele…..

    Liebe Grüße aus Zwettl
    Gabi Prinz

  4. Katharina Haude

    Lieber Sebastian!
    Wir, Natalie und Katharina aus der 3FW wünschen dir ein frohes neues Jahr, und hoffen du erlebst noch viele weitere spannende Erlebnisse in Krakau.
    Dein Blog ist sehr Interessant und fesselnd, mach weiter so!

    Liebe Grüße
    Katharina Haude und Natalie Stumfoll

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